Die Geschichte des Hannoverschen Rennvereins von 1867-1970

von Dr. Anton Weise, Regional- und Sporthistoriker

Am 8. Juli 1867, trafen sich im Herzen der Stadt Hannover, in der Georgstraße 26, Persönlichkeiten aus der Stadt und der Provinz Hannover, um den „Verein zur Förderung der hannoverschen Landes-Pferdezucht“ zu gründen. Dieser Verein war der Vorgängerverein des „Hannoverschen Rennvereins e.V.“, der im Jahr 2017 sein hundertfünfzigjähriges Jubiläum feiert. Deshalb wird im Folgenden auch verallgemeinernd vom „Rennverein“ gesprochen.

Bevor es in Hannover mit Galopprennen losging, hatte es schon Rennvereine im Königreich Hannover gegeben. Keiner von diesen sollte jedoch so beständig und bedeutend werden wie der Hannoversche Rennverein.

Die Vollblutpferde und der Galoppsport waren bereits im frühen 19. Jahrhundert aus England nach Deutschland gekommen. Zwei Daten werden in diesem Zusammenhang häufig genannt. Zum einen wird der Schlacht bei Waterloo 1815 die Bedeutung einer Initialzündung für den Import von englischen Vollblutpferden nach Deutschland zugesprochen, weil dort die deutschen Teilnehmer die Überlegenheit der englischen Kavallerie gesehen hätten. Zum anderen wird des ersten Vollblutrennens in Deutschland gedacht, das am 22. August 1822 in Bad Doberan stattfand.

Der Blick auf diese beiden Ereignisse zeigt bereits, dass Galopprennen nie nur als Sport und Freizeitvergnügen betrachtet wurden, sondern dass es um die Leistungssteigerung der Pferde ging. In den Rennen sollten die besten Pferde gefunden werden, die im Wege der Zucht nicht nur das Niveau der Vollblüter sondern als Vererber in andere Rassen hinein auch deren Leistungsfähigkeit heben sollten. Wie auch heute noch bestand eine enge Verbindung zwischen Rennerfolg und Zucht. Im Gegensatz zur heutigen Zeit ging es aber auch um die Eignung der Pferde und ihrer Zuchtprodukte für militärische Zwecke. Es sollten nämlich möglichst gute Pferde für die Kavallerie gefunden werden. Dementsprechend hatten die staatliche Obrigkeit und das Militär hohe Bedeutung für den Sport. Franz Châles de Beaulieu, der ehemalige Generalsekretär des Union Klubs, nennt unter den sechs Säulen, auf denen seiner Meinung nach der Rennsport vor 1945 beruhte, die „Amateurreiterei“ und den „Staatsapparat mit Graditz“. Es gibt wohl kaum einen an Vollblutzucht interessierten Pferdefreund, dem man die Bedeutung des preußischen Zentralgestüts Graditz erklären muss. Für die Amateurreiterei wiederum haben wir in Hannover und im Hannoverschen Rennverein mit Heinrich von Rosenberg ein herausragendes Beispiel. Wie viele Amateurreiter war von Rosenberg Offizier.

Gehen wir noch einmal zu den Anfängen zurück, so muss betont werden, dass die Einführung des Vollbluts in Deutschland Teil eines größeren Kulturtransfers vom seinerzeit nicht nur in der Pferdezucht fortschrittlicheren Großbritannien nach Deutschland war. Beaulieu bezeichnet die Ausrichtung am englischen Vorbild mit dem uns heute zu negativ klingenden und daher unangemessen erscheinenden Begriff der „Anglomanie“, die von Waterloo bis zum Ersten Weltkrieg geherrscht haben soll.

Zwischen der Schlacht bei Waterloo und dem Beginn des Rennsports in der Stadt Hannover liegt jedoch ein halbes Jahrhundert. Der Grund für den zeitlichen Versatz ist in dem oben genannten Konnex von Obrigkeit und Rennsport zu suchen. Anders gesagt mussten erst „die Preußen“ nach Hannover kommen, bis es in der Stadt Galopprennen und einen Rennverein geben sollte. Die Geschichte des Rennsports in der Stadt Hannover begann nicht zufällig so kurz nachdem Preußen das Königreich Hannover annektiert hat.

Als ein Vorläufer gründete sich schon im Jahr 1834 der „Hannoversche Verein zur Beförderung der Pferdezucht“, der aber nicht mit dem 1867 entstandenen Verein, aus dem der Hannoversche Rennverein hervorging, verwechselt werden sollte. Für den in den dreißiger Jahren gegründeten Verein war die Stadt Hannover nur ein möglicher Austragungsort für Rennen innerhalb des Königreichs Hannover. Andere, darunter sogar das seinerzeit zwar welfische, aber nicht hannoversche Braunschweig, stellten eine ernstzunehmende Konkurrenz dar, der Hannover wohl wegen mangelnder Unterstützung durch die städtischen Gremien unterlag. Jener Verein trug seine Rennen daher ab 1834 in Celle aus. Diese waren dort eine Zeit lang durchaus erfolgreich und erfuhren den Rückhalt vom hannoverschen Königshaus.

Schließlich setzte Ende der 1850er Jahre der Niedergang der Celler Rennen ein. Erwägungen, die Rennen nach Hannover auf die Vahrenwalder Heide zu verlegen, scheiterten aber am Widerstand der Königlich Hannoverschen Militärverwaltung und der Verein löste sich schließlich 1863 auf. Damit riss die Tradition der vom hannoverschen Königshaus geförderten Rennen aber anscheinend nicht ab. Dies zeigt sich in der Überlieferung dessen, dass sich 1867 ein Rennverein im damals noch nicht zu Hamburg gehörenden Harburg wiedergründen wollte. Die bürgerlichen Initiatoren der Vereinsgründung wandten sich an den preußischen General-Gouverneur von Voigts-Rhetz in Hannover, um die Unterstützung des preußischen Könighauses zu erlangen. Die Vorgeschichte ihres Vereins stellten sie dabei wie folgt dar:

„Seit dem Jahre 1860 bis zum Ende des Jahres 1866 hat in der Stadt Harburg ein Rennverein unter dem Namen Harburger Rennverein seinen Sitz gehabt. Der Verein welcher Anfangs geringe Bedeutung hatte, fand bald immer größeres Interesse und entwickelte sich rasch immer mehr und mehr. Schon im Jahre 1862 übernahm Seine Königliche Hoheit der Kronprinz des vormaligen Königreichs Hannover das Protektorat des Vereins. Im Jahre 1865, als die seit den dreißiger Jahren in Celle bestandenen Rennen aufhörten, bewilligte König Georg den bis dahin für Celle bestimmten Welfenpreis von 300 LouisDor für die Harburger Rennen. Ebenso fanden sich die Königin Maria und der damalige Kronprinz bewogen jährlich Ehrenpreise auszusetzen.“

Doch die Harburger Rennfreunde blieben 1867 mit ihrem Versuch erfolglos, die Schirmherrschaft des Kronprinzen und finanzielle Unterstützung zu erlangen. Wichtige Persönlichkeiten der preußischen Verwaltung und des preußischen Militärs hatten bereits andere Pläne.

Die Entscheidung gegen Harburg fiel, als die Kanzlei des Kronprinzen den preußischen Zivilgouverneur Hans Freiherr von Hardenberg, der als Leiter der zivilen Verwaltung in gewisser Weise als Vorgänger des ersten hannoverschen Oberpräsidenten Otto zu Stolberg-Wernigerode anzusehen ist, um Stellungnahme bat. Eben jenes Otto zu Stolberg-Wernigerode, der im Folgejahr der erste Vorsitzende in der Geschichte des Rennvereins werden sollte.

Hier soll es jedoch nicht um Harburg gehen. Der Vorgang ist aber für Hannover interessant, weil Hardenbergs Antwort an die Kanzlei des Kronprinzen frühe Phasen der Entstehungsgeschichte des Rennvereins dokumentiert. Er berichtet, dass sich bereits im Frühjahr 1867 einige Persönlichkeiten zur Gründung eines Vereins zur Beförderung der Pferdezucht für die ganze Provinz Hannover getroffen hätten. Im Entwurf Hardenbergs wurde dieser zuerst als Rennverein bezeichnet. Man sieht also, dass es nicht unberechtigt ist, den Verein vereinfachend so zu nennen. Zu den vom Zivilgouverneur genannten Persönlichkeiten sollen neben allen in Hannover ansässigen Generalen und Heinrich von Rosenberg, der seinerzeit noch Rittmeister war, sowie dem Stallmeister der Militärreitschule von Holleuffer auch Besitzer größerer Güter gehört haben. Laut von Hardenberg wurde auf dieser ersten Versammlung auch ein Komitee gebildet, das sich schon im Vorfeld der Vereinsgründung um die Einwerbung finanzieller Mittel beim Landwirtschaftsministerium kümmern sollte. Erste positive Signale aus Berlin lagen wohl auch schon vor. Die Initiative zur Gründung des Vereins ging vom Stallmeister von Holleuffer und Rittmeister von Rosenberg aus, die seit Herbst 1866 aktiv waren, um zu einer ersten Versammlung für den 27. März 1867 einzuladen, an der 28 Interessierte teilnahmen. Danach wurden 260 Einladungen an ausgewählte potentielle Mitglieder zur nächsten Versammlung am 13. April 1867 verschickt, der 100 Angeschriebene folgten. Auf dieser zweiten Versammlung wurde dann ein provisorischer Ausschuss gewählt, der eine Kommission unter Leitung des Generalmajors von der Goltz einsetzte, die sich um die Ausarbeitung von Statuten kümmern sollte.

Den Harburger Rennfreunden geriet zum Nachteil, dass der Gouverneur eine Teilung der Mittel zwischen den Vereinen befürchtete. Dieser argumentierte, die Unterstützung solle auf den lebensfähigeren Verein in Hannover konzentriert werden. Wenn man die bisher genannten Akteure betrachtet und dann noch die Verlegung des preußischen „Königlichen Militär-Reitinstituts“ berücksichtigt, die auch schon als „Strukturmaßnahme“[i] bezeichnet worden war, so beginnt sich das Bild der Vereinsgründung in Hannover abzurunden. Ihr lag eine Zusammenarbeit von preußischen Militärs und führenden Verwaltungskräften mit niedersächsischen Gutsbesitzern zu Grunde. Dementsprechend wurde der Verein zumindest in den ersten Jahren seines Bestehens auch als preußisch wahrgenommen.

Daher musste er mit der Ablehnung durch antipreußische Kreise zurechtkommen, die die preußische Annexion rückgängig machen wollten. Ihr Ziel war die Wiedererrichtung eines selbstständigen welfischen Königreichs Hannover. In den städtischen Gremien bzw. Kollegien, die aus der Magistrat genannten Verwaltungsleitung und dem Bürgervorsteherkollegium bestanden, gab es unter den Bürgervorstehern eine starke welfisch gesinnte Gruppe, die eine Unterstützung des Vereins teilweise erfolgreich verhinderte. Das führte wiederum zur Unterstützung des Vereins durch fortschrittliche, der neuen preußischen Obrigkeit positiver gegenüberstehender Bürger. Man würde dem Verein aber nicht gerecht, wenn man behaupten würde, die Federführung bei der Gründung sei auf Preußen und Großagrarier zu reduzieren.

Das zeigt die Gründungsversammlung, die am 8. Juli 1867 im Rudolph‘schen Gesellschaftshaus in der Georgstraße 26, das gegenüber der Oper lag, stattfand. In der danach mehrmals im Hannoverschen Courier geschalteten Anzeige wird neben dem provisorischen Vorsitzenden Generalmajor Graf von der Goltz und dem Rittmeister von Holleuffer der Bankier Siegmund Meyer als Schatzmeister genannt. Bei Siegmund Meyer handelte es sich um den jüdischen Inhaber des Bankhauses Adolph Meyer, der entscheidend an der Gründung der Hanomag mitgewirkt hatte und ein bedeutender Förderer der Kaliindustrie war. Auch wenn Siegmund Meyer wahrscheinlich wegen seiner beruflichen Expertise zum Kassenwart gewählt wurde, zeigt sich in seiner Wahl doch das bürgerliche Element im Verein. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass 1867 die vollständige rechtliche Gleichstellung von Juden, die dann 1869 durch die Verfassung des Norddeutschen Bundes erreicht wurde, erst noch bevorstand. Die Wahl spricht also für eine gewisse Fortschrittlichkeit und Offenheit des Vereins, zumal Meyer 1868 nicht das einzige jüdische Vereinsmitglied war.

Bevor dieser Gedanke weitergeführt wird und die weitere Konstituierung des Vereins im Frühjahr des Folgejahres dargestellt werden kann, muss an dieser Stelle ein kleiner Exkurs unternommen werden. Die zweite Wurzel des hannoverschen Rennsports lag im Reitsport der Offiziere der Militär-Reit-Schule. Hier sind zwei Vereine, an deren Gründung zwei Protagonisten des frühen Rennsports in Hannover, Heinrich von Rosenberg und Viktor von Podbielski maßgeblich beteiligt waren, zu nennen. Dies sind der Hannoversche Jagdreiterverein und der 1872 gegründete Hannoversche Herren-Reiter-Verein. Der erstere wurde 1867 nach der Verlegung der Reitschule nach Hannover gegründet und bestand bis 1869. Der Hannoversche Jagdreiterverein veranstaltete Anfang November 1867 einen Renntag, an dem vier Rennen ausschließlich für Herrenreiter stattfanden. Sie sind nicht im Jahresrennkalender 1867 gelistet. Trotz einer gewissen Exklusivität dieser Rennen – Jockeys waren beim Herrenreiten ausgeschlossen und ein Rennen war sogar nur für Mitglieder des Jagdreitervereins bestimmt – waren sie keineswegs nichtöffentlich. Neben den Offizieren der Garnison, den Offizieren der Reitschule und General von Voigts-Rhetz stiftete auch die Stadt Hannover einen Ehrenpreis. Besonders beachtenswert ist dabei, dass 6.000 Besucher die Rennen gesehen haben sollen. Dabei soll es sich um drei Rennen über natürliche Hindernisse, sogenannte Steeplechase-Rennen und um ein Flachbahnrennen, das Heinrich von Rosenberg gewonnen hat, gehandelt haben.

Kommen wir nun zurück zum Rennverein, so muss noch festgestellt werden, dass er im Jahr 1867 einen guten Start hatte. Laut einem Zeitungsbericht näherte sich die Mitgliederzahl schnell der Marke von 300. Darüber hinaus war er bereits früh gut vernetzt. Er gehörte im Jahr 1868 zu den ersten acht Vereinen, die sich dem kurz zuvor gegründeten Union-Klub anschlossen. Am Nachmittag des 19. April des gleichen Jahres, einem Sonntag, trafen sich dann mehr als 50 Mitglieder des Vereins, um einen „definitiven Ausschuss“ zu wählen, dem 18 Mitglieder angehören sollten. Die Militärs stellten eine Minderheit dar. Drei Herren wurden als Gutsbesitzer bzw. -pächter bezeichnet. Der Blick auf die anderen Mitglieder des Ausschusses zeigt die gesellschaftliche Breite des Vereins.

Neben den Spitzenbeamten Graf Stolberg (Oberpräsident) und Rasch (Stadtdirektor) gehörten dem Ausschuss auch der bereits genannte Bankier Meyer, ein Obergerichtsanwalt, ein Amtmann, ein Professor und weitere Mitglieder der hannoverschen Lokalprominenz an. Da die industrielle Entwicklung Hannovers erst am Anfang stand, fehlten hier, abgesehen von Siegmund Meyer, noch die Unternehmerpersönlichkeiten, die später für die hannoversche Oberschicht der Ära Tramm von Bedeutung waren. Für das Frühjahr 1868 kann aber festgehalten werden, dass der Verein in seinem Leitungsgremium die sogenannten besseren Kreise in ihrer Breite repräsentiert. Dem entsprechend wurde auf einer am Abend folgenden Sitzung des Ausschusses auch das Direktorium bestimmt. An seine Spitze traten das Oberhaupt der Provinz Hannover, Oberpräsident Graf Stolberg, als Vorsitzender und der Stadtdirektor der namensgebenden Residenzstadt Hannover, Hermann Rasch, als sein Stellvertreter. Hinzu kamen die Präsidiumsmitglieder von Cramm, von Alten, von Rosenberg sowie Siegmund Meyer als Kassenwart und Stallmeister von Holleuffer als Schriftführer.

Der Verein intensivierte nun seine Arbeit, sodass schon erste Planungen bekannt wurden. Sie zeigten schon die Strukturen, die für die nächsten Jahre gelten sollten. Es fand eine mehrtägige Veranstaltung statt, die aus drei Teilen bestand. Das waren verschiedene Rennen sowie ein Pferdemarkt und darüber hinaus Verlosungen, bei denen die Käufer der Lose Pferde und entsprechende Ausrüstung gewinnen konnten.

Das erste vom Rennverein veranstaltete Großereignis sollte schließlich von Donnerstag, dem 6. bis Sonntag, dem 9. August 1868 stattfinden, wobei es von Freitag bis Sonntag Rennen auf der Kleinen Bult und der Mecklenheide gab. Für den Pferdemarkt wurde der Klagesmarkt mit Netzen eingezäunt. Es gab eine rege Vorberichterstattung, womit sowohl das große öffentliche Interesse an der Veranstaltung als auch die erhebliche Leistungsfähigkeit des jungen Vereins erkennbar werden. So gab es mindestens zwei Tribünen, von denen die erste über 1230 Sitzplätze verfügte. Um dem erwarteten großen Interesse außerhalb Hannovers gerecht zu werden, wurde am zweiten Renntag sogar ein Sonderzug aus Bremen eingesetzt. Die hohen Erwartungen an das Zuschauerinteresse wurden durchaus erfüllt, da die Ränge vollständig und mit überwiegend auswärtigen Gästen gefüllt waren. Im angrenzenden Lokal Tivoli sollen sich abends jeweils 8.000 Personen aufgehalten haben. Die Rennen waren sehr vielfältige Veranstaltungen. Es gab Flach- und Hindernisrennen sowie Disziplinen wie Wettziehen, bei denen es um die größte Kraftentwicklung ging, und ein sogenanntes Bauernrennen. Bei der Verlosung am Sonntag konnten ein Vierergespann, ein Deckhengst, Wagenpferde, Arbeitspferde, Reitpferde, Mutterstuten und Füllen gewonnen werden. Insgesamt scheint es sich bezüglich der Organisation und des Zuschauerzuspruchs um eine gelungene Veranstaltung gehandelt zu haben, wobei negativ zu Buche schlug, dass eine Vielzahl von Startern nicht antrat, sodass mehrmals nur ein Pferd lief.

Im selben Jahr legte der Rennverein auch das Fundament für einen dauerhaften Rennbetrieb auf der Kleinen Bult. Sie lag etwa dort, wo sich heute die Stadthalle und der Stadtpark befinden. Er kaufte das Gelände und die anscheinend zunächst nur für die erste Veranstaltung gedachte Tribüne wurde mit einem Bretterverschlag versehen, sodass sie länger hielt und weiter genutzt werden konnte. Ursprünglich hatte die Militärbehörde, die das Gelände an den Verein verkauft hatte, auf einer wieder abzureißenden Tribüne bestanden.

Die Planungen für das Folgejahr waren zunächst einmal unspektakulär und setzten den Akzent auf Kontinuität. Neben Pferdemarkt und Verlosung sollten Ende Juli bis Anfang August drei Renntage stattfinden. Der erste sollte mit der großen Steeplechase auf der Mecklenheide und die anderen beiden mit je acht Rennen, von denen je eines ein Hindernisrennen sein sollte, auf der Kleinen Bult stattfinden.

Viel interessanter sind jedoch die finanziellen Angelegenheiten im Jahr 1869. Die gesellschaftliche Vernetzung zahlte sich aus. Das Landwirtschaftsministerium gab 3.500 Thaler und erhöhte seine Förderung damit im Vergleich zu 1868 um 1.000 Thaler. Zusätzlich erhielt der Rennverein vom Union-Klub 500 Thaler.

Hinzu trat noch bürgerschaftliches Engagement, das damit begann, dass sich am zweiten Ostertag „angesehene“ Bürger im Rudolph‘schen Hotel trafen, um ein Komitee zu bilden, das sich zum Ziel gesetzt hatte, 1.500 bis 2.000 Thaler für einen Preis zu sammeln, der für ausländische Pferde gedacht war. Es wurde sogar explizit das Ziel formuliert, englische und französische Starter anzulocken. Der Betrag von 2.000 Thalern wurde in kurzer Zeit erreicht und konnte dem Rennverein übergeben werden. Am Beispiel dieser Sammlung zeigt sich der erfolgreiche Versuch, städtischen Widerstand zu überwinden. Während der Verein im Magistrat der Stadt Hannover gut vertreten war, gab es im Bürgervorsteherkollegium die oben dargestellten negativen antipreußisch motivierten Einstellungen zur Förderung des Rennsports. Ganz im Sinne des Vereins kommentiert eine Zeitung die Sammlung:

„Wie die zahlreichen kleinen Zeichnungen beweisen, sieht man in immer weiteren Kreisen ein, dass den Interessen der Stadt mit dem Schmollen und Zurückhalten von Allem, was von den, Preußen‘ ausgeht, übel gedient ist.“

Bevor dann am Sonntag, dem 25. Juli die Rennen starteten, fand am Samstag im Tivolisaal eine Generalversammlung des Vereins unter der Leitung von Stadtdirektor Rasch statt, die sich im Wesentlichen mit Wahlen und Satzungsfragen befasste. Zunächst wurden vier Mitglieder des Vorstandes durch Los bestimmt, deren Amtszeiten endeten. Danach wurden jedoch alle vier direkt wiedergewählt. Anschließend wurden Nachfolger für zwei Ausschussmitglieder, die willentlich bzw. wegen einer Versetzung ausschieden, bestimmt. Unter den beiden Nachrückern befand sich auch Alfred von Waldersee, späterer Generalfeldmarschall und Chef des Großen Generalstabs. Der Schatzmeister erstattete darüber hinaus Bericht in Bezug auf die ordentliche finanzielle Lage des Vereins. Der Verein hatte im Vorjahr 72 Austritte und 207 Eintritte zu verzeichnen und war dadurch auf 583 Mitglieder angewachsen.

Die Rennen fanden schließlich von Sonntag, dem 25. Juli bis zum Dienstag, dem 27. Juli statt. Am Sonntag wurden sogar Sonderzüge von Wunstorf, Braunschweig und Nordstemmen aus eingesetzt, um dem regen Zulauf gerecht werden zu können.

Auch im Jahr 1870 war der preußisch-welfische Gegensatz in den städtischen Gremien wieder zu erkennen, wobei es erneut Gegenwind für den Rennverein gab. Als das Bürgervorsteherkollegium die Auslobung eines städtischen Preises ablehnte, trafen sich am Vormittag des 27. März Bürger in Kasten’s Hotel, um Geld zu sammeln. Der Erfolg war überwältigend. Noch auf der Veranstaltung verpflichteten sich 40 Personen spontan insgesamt 1.100 Thaler zu zahlen.

Schließlich erbrachte die Sammlung sogar 2.750 Thaler, sodass nicht nur ein Preis von 2.000 Thalern sondern auch einer über 500 Thaler ausgelobt werden konnte. Der größere sollte explizit dazu dienen, „den von der welfisch gesinnten Mehrheit des Bürgervorsteher-Collegs abgelehnten offiziellen Stadtpreis zu ersetzen.“

Das dritte vom Rennverein veranstaltete Rennwochenende sollte vom 15. bis zum 17. Juli 1870 stattfinden, wobei der 2. Renntag auf der Vahrenwalder Heide und die anderen beiden auf der Kleinen Bult absolviert werden sollten. Der Renntag auf der Heide war dabei wieder für das Reiten über natürliche und extra aufgestellte Hindernisse vorgesehen, wobei die Große hannoversche Steeplechase den Höhepunkt des Tages darstellen sollte. Auch im Jahr 1870 gelang es dem Verein, eine Erhöhung des staatlichen Zuschusses um noch einmal 1.000 Thaler gegenüber dem Vorjahr zu erreichen. Als Höhepunkt der Gesamtveranstaltung war der mit 2.000 Thalern dotierte „Große Preis von Hannover“ vorgesehen. Da das Preisgeld nicht von der Stadt kam, sondern aus der Sammlung finanziert wurde, bezeichnete man das Rennen als den „Großen Preis von Hannover um den Größeren Bürgerpreis“. In der Lokalpresse wurde mit Stolz berichtet, dass sich elf Bewerber angemeldet hätten, unter denen sich auch der braune Hengst Blue Gown, der als das berühmteste Pferd des Kontinents bezeichnet wurde, befand. Auf der Liste der gestarteten Pferde fehlte der englische Derby-Sieger von 1868 jedoch schließlich. Für den Abend des 17. Juli waren Sonderzüge nach Minden, Bremen und Nordstemmen vorgesehen.

Als die Rennen schließlich am Nachmittag des 15. Juli begannen, stand der Deutsch-Französische Krieg kurz bevor, sodass die Absage des zweiten Renntages diskutiert wurde. Die Generalversammlung entschloss sich jedoch trotz der „inzwischen eingetretenen sehr ernsten Lage der Dinge“, die Rennen weiter stattfinden zu lassen. Der Zuschauerzuspruch war dem entsprechend auch zuerst nicht gut, wobei er für den dritten Tag wieder positiv beurteilt wurde.

Im Jahr 1871 fanden die Rennen auf der Kleinen Bult ausnahmsweise Mitte September statt. Eventuell war dieser Termin kriegsbedingt zustande gekommen. Der Rahmen war erst einmal der Gleiche wie in den Vorjahren. Es fanden drei Renntage von Samstag, dem 16. September bis Montag, dem 18. September statt. Es gab jedoch eine große Veränderung, die auch als Verbesserung propagiert und dann auch in den nächsten Jahren beibehalten wurde. Das war die Verlegung der Bahn für die Steeplechases, die bis dahin immer auf der Vahrenwalder Heide ausgetragen worden waren, auf die Kleine Bult. Am Samstag soll es etwas weniger Zuschauer als in den Vorjahren gegeben haben, wobei am Sonntag Menschenmassen auf die Bahn geströmt seien.

Während die Rennveranstaltungen durchaus erfolgreich verliefen, geriet der Verein wegen eines Defizites von 6.000 Thalern anscheinend in seine erste, existenzbedrohende Krise. Diese wurde jedoch offenbar schnell bewältigt, da der Schatzmeister Meyer die Finanzsituation des Vereins bereits auf der Generalversammlung 1871 wieder als günstig darstellte. Das Verdienst, die Probleme überwunden zu haben, wird dem Sekretär des Vereins, Viktor von Podbielski, zugeschrieben. Später wurde er Generalleutnant, reformierte als Staatssekretär das deutsche Postwesen und war Staats- und Landwirtschaftsminister. Neben der ausdrücklich ihm zugeschriebenen Gründung des Herren-Reiter-Vereins 1872, war auch die Konzentration der Rennen ab 1871 auf die Kleine Bult eine wichtige strukturelle Veränderung.

Anhand der Zeitungsberichte und der Rennkalender kann man das erste Rennjahrzehnt so rekonstruieren, dass der Verein zur Förderung der Hannoverschen Landes-Pferdezucht jedes Jahr lediglich ein dreitägiges Sommermeeting veranstaltete.

Eine Ausnahme stellte das Jahr 1874 dar, in dem zusätzlich zu Ehren des Hannover-Besuchs Wilhelm I. ein weiterer Termin stattfand. Zusätzlich hielt der Hannoversche Herren-Reiter-Verein Rennen auf der Vahrenwalder Heide ab. Zwischen den Vereinen hatte es anscheinend eine gute Zusammenarbeit gegeben, sodass die Funktionäre auch gegenseitig an Veranstaltungen des jeweils anderen Vereins teilnahmen. In dieser Zeit steigerte sich auch die Zahl der Rennen an den genannten drei Tagen und die Anzahl der gestarteten Rennen in der Zeit von 1868 bis 1877 langsam, aber kontinuierlich. 1868, im ersten Rennjahr des Vereins, hatten 56 Pferde an 14 Rennen teilgenommen. Schließt man zwei Renntage des Herren-Reiter-Vereins mit ein, so gingen 1877 immerhin 143 Pferde in 27 Rennen an den Start. Die Summe der Preise, Einsätze und Reugelder stieg in der angegebenen Zeit von 20.460 Mark auf 71.902 Mark im Jahr 1877, wobei es einen Einbruch der Summen in den Jahren 1871 bis 1873 gegeben hatte. In den nächsten beiden Jahren weitete sich das Renngeschehen aus und der Rennverein beschränkte sich nun nicht mehr nur auf ein Sommermeeting. Vergleicht man den Rennbetrieb in Hannover Ende der 1870er Jahre mit dem an anderen Orten in Deutschland, so gehörte Hannover zur Spitzengruppe. Das zeigt eine Aufstellung für das Jahr 1879 in der 50 Austragungsorte für Pferderennen erfasst wurden. Die Aufstellung reicht von Rennplätzen, an denen lediglich ein Rennen stattfand, bis zu den großen Bahnen. Nur in fünf Städten fanden mehr als drei Renntage statt. Das war zuerst Berlin mit 15 Tagen. Es folgte Hannover mit acht und sodann Baden-Baden und Hamburg mit je fünf Renntagen. In Frankfurt am Main gab es vier Renntage.

Hannover war in die Spitzengruppe der deutschen Rennplätze aufgestiegen und gab dieser Entwicklung mit dem Ausbau der Rennbahn auf der Kleinen Bult weiteren Antrieb.

Wichtige Aspekte im Hinblick auf die Entwicklung des Vereins sind auch der Ausbau und der Wechsel der Rennbahnen. Auf der Mecklenheide bzw. auf der Vahrenwalder Heide lagen die Anfänge des Pferderennsports in Hannover. Auch der Rennverein trug dort insbesondere die Steeplechases aus. Aber seit dem ersten, vom Verein selbst abgehaltenen Meeting wurde auch auf der Bult, damals der Kleinen Bult, gelaufen. Sie war ursprünglich ein sehr primitives Provisorium, das innerhalb kürzester Zeit zu einer festen Rennbahn wurde. Rennbahnen waren und sind keine Ensembles, die einmal errichtet unverändert stehen blieben und genutzt wurden. Vielmehr fanden und finden permanent bedarfsentsprechende Veränderungen statt. Die Tribünen werden hinsichtlich der Sicht und des Komforts optimiert und es findet natürlich auch Bauunterhaltung statt. Allein über die Entwicklung der Bahnen könnte ein eigenes Buch geschrieben werden. Somit liegt eine Beschränkung auf Meilensteine nahe.

Ein solcher Meilenstein war der Bezug einer neuen Tribüne auf der Kleinen Bult im Jahr 1880. Die Tribünen lagen an der Westseite der Bahn. In einem ersten Schritt wurde die alte Tribüne abgetragen, um sie 80 Meter nach Süden zu versetzen. Sie bestand aus einer Holzkonstruktion über zwei Geschosse, unter der sich eine Basis aus Backstein befand, in der sich verschiedene Räume befanden. Der hannoversche Courier führt aus, es hätte eine Gaststätte und Platz für Inventar gegeben. Die Tribüne soll nun im Vergleich zum vorherigen Standort günstiger gelegen haben, sodass sowohl die Flachbahn als auch die Hindernisbahn gut zu überblicken gewesen seien. Hier gab es überdachte und offene Plätze.

Weiter nördlich vom alten, nun Tribüne II. genannten Gebäude, entstand auf der Höhe des Ziels eine neue Tribüne, die von dem in Hannover und überregional tätigen Architekten Otto Götze entworfen worden war. Auf einem Unterbau aus hellgelben Sandsteinquadern befand sich eine Eisenkonstruktion inklusive Überdachung. Die Gesamtlänge betrug 40 Meter. In dieser neuen Haupttribüne lag auch ein Logenbereich. Die Sportzeitung „Sporn“ beschrieb die Tribüne ausführlich folgendermaßen:

 „Auf einem Rez-de-chaussée von roh gehauenen Steinen erhebt sich in rothen Ziegeln der Mittelbau der Tribüne, deren von eisernen Säulen getragenes Dach den Zuschauerraum vor den Unbilden des Wetters schützt;“

Weiter heißt es:

 „Längs des ganzen Zuschauerraums läuft ein in großartigen Verhältnissen entworfenes Vestibul mit breitem, in steinernen Stufen gelegtem Aufgang, dessen Seiten Blumen und exotische Gewächse schmücken; zu beiden Enden des Baues ragen massive viereckige Thürme empor, in derem Innern steinerne und eiserne Treppen aufwärts zu den Zinnen und hinunten in die untern Räume führen. Das oberste Plateau der Eckbauten gewährt einen Alles umfassenden Ueberblick der ganzen Rennbahn welche ihren wohlgepflegten Rasen zu Füßen des oben weilenden Zuschauers entfaltet, dem eine vorzügliche Gelegenheit geboten ist, die Rennen in ihrem ganzen Verlauf auf das Genaueste zu verfolgen […].“

Man kann dem Zitat die Begeisterung des Autors für die neue Anlage genau entnehmen. Diese setzt sich in seiner Darstellung der Nutzung des Parterres mit Gaststätte, Räumen für Damen, Waage, Umkleideräumen und anderem fort. Besonders wichtig ist noch die Tatsache, dass im Vorjahr der Anschluss an die städtische Wasserversorgung erfolgt war und somit der Rasen der Bahn gewässert werden konnte. Erwähnenswert ist ebenfalls, dass auch die Möglichkeit bestand, den Rennen vom Innenraum aus zu folgen. Darüber hinaus lag der Anfang des hannoverschen Tennissports eventuell auf der Kleinen Bult.

Die Bahn wurde kontinuierlich weiterentwickelt. Bereits 1885 wurde beispielsweise die Tribüne II wieder abgerissen und im Stil der Haupttribüne ein Neubau errichtet. Einige Jahre später fiel die Rennbahn jedoch im reichsweiten Vergleich hinter die in den neunziger Jahren der 19. Jahrhunderts errichteten neuen Bahnen zurück, wodurch eine Diskussion um den weiteren Ausbau der Rennbahn begann.

Ein interessantes Detail ist im Zusammenhang mit der Nutzung der Rennbahn, dass auf ihr Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts auch Hunderennen stattfanden, die eine große Belustigung gewesen sein sollen. Es gab Rennen für verschiedene Hunde, z.B. für Vorstehhunde oder Rennen für Hunde aller Rassen, wobei Windhunde ausgeschlossen waren, die aber an einem speziellen Windhunderennen teilnehmen konnten. Hinzu kamen Wettfahrten, bei denen Hunde kleine Gespanne zogen.

Entscheidende Bewegung in die Rennbahnplanung brachte das Militär. Für das Königsulanen Regiment sollte auf der Kleinen Bult eine Kaserne gebaut werden, sodass der Rennverein umziehen musste. Auf der Großen Bult, die wir heute auch die Alte Bult nennen, entstand eine herrliche neue Rennbahn, die 1906 fertig gestellt wurde. Sie lag östlich der Eisenbahnlinie Hannover-Kassel, grenzte im Südosten an die Eilenriede und im Nordosten an den Bischofsholer Damm. Die Ringstraße, die im Norden der Bahn lag, entspricht heute in etwa der Lindemannallee. Die Hauptzufahrt wurde vom Bischofsholer Damm aus eingerichtet und war u. a. mit einem Droschkenhalteplatz so eingerichtet, dass Prominenz zwar einerseits vom restlichen Publikum gesehen werden konnte, aber andererseits direkt hinter der Haupttribüne mit Ehrenloge halten konnte.

Der Sattelplatz besaß einen Eingang direkt vom Bischofsholer Damm aus. Die Tribünen lagen im Nordwesten der Anlage zwischen dem Bischofsholer Damm und der Eisenbahn. Um von jeder Stelle aus einen guten Blick zu gewährleisten, waren die beiden Sitz- und die Stehtribüne in einem leichten Bogen angeordnet. Vor den Tribünen lagen mit Rasen bewachsene Böschungen. Allein, wenn man die Vielzahl der Funktionsräume für Presse, Polizei, Krankenversorgung und weitere mehr mit denen der vorherigen Bahn vergleicht, sieht man den deutlichen Fortschritt. Die Haupttribüne verfügte bei einer Länge von etwa 53 Metern über 578 Sitz – und 400 Stehplätze. Die zweite Tribüne bot allein im Hauptgeschoss Platz für fast 600 Personen auf Steh- und Sitzplätzen. Es gab eine Flach- und eine Hindernisbahn, wobei für die Rennen der Zweijährigen eine 1.100 Meter lange Bahn bestand, die 350 Meter in die Eilenriede hineinreichte. Die Flachbahn hatte eine Länge von 2.012,50 Metern, wobei der Einlauf auf den letzten 300 Metern eine leichte Steigung besaß.

Für die Hindernisbahn sollen Karlshorst und Köln als Vorbilder gedient haben. Sie hatte eine Länge von 3.750 Metern. Im Innenraum der Bahn befand sich gegenüber der Haupttribüne ein Teich, der durch die Aufschüttung der Böschungen entstanden war, und dahinter ein Polofeld mit einer Größe von 2,7 Hektar. Das Polofeld wurde allerdings nicht für den Rennverein errichtet, sondern wurde von einem anderen Verein, dem Hannoverschen Polo-Club genutzt. Entlang der Innenseite der Flachbahn befand sich ein Rohrsystem zum Sprengen der Bahnen mit Grundwasser, das alle 50 Meter einen Sprenghahn, insgesamt 39 Stück, aufwies. So konnte die Bahn gewässert und dadurch elastisch gehalten werden. Bei den Bauten hatte man anscheinend auch Wert auf die Optik gelegt. So wurden die Stallungen mit 40 Boxen und das im „Schweizer Stil“ erbaute Haus des Rennbahninspektors gelobt. Um das Gras der neuen Bahn zu schonen, beschränkte man sich im Eröffnungsjahr auf ein dreitägiges Sommermeeting und ein zweitägiges Herbstmeeting. Renntage für Herrenreiter fielen aus.

Doch der Bau dieser Anlage hatte ein Nachspiel, das man je nach Standpunkt als kommunalpolitische Posse oder als Beispiel für gelungenes Netzwerken des Vereins mit einem durchsetzungsstarken Stadtdirektor Tramm als Protagonist sehen kann. Letzteres trifft es wohl am besten.

Die städtischen Gremien hatten einen Betrag in Höhe von 360.00 Mark zur Verfügung gestellt, wobei die tatsächlich entstandenen Baukosten den bewilligten Finanzrahmen um 115.00 Mark überstiegen. Das wurde erst zwei Jahre später „entdeckt“ und führte zu einer intensiven Berichterstattung in der lokalen Presse und einer Auseinandersetzung zwischen Stadtdirektor Tramm und dem Magistrat auf der einen und dem Bürgervorsteherkollegium auf der anderen Seite. Die Auseinandersetzung fand ein so großes Echo in den Zeitungen, dass in der Stadtverwaltung eine eigene Akte „betr. Zeitungsartikel über Überschreitung der Baukosten für die Rennbahn“ angelegt wurde. Insbesondere der sozialdemokratische Volkswille sah den ganzen Vorgang sehr kritisch. Zuerst lehnten die Bürgervorsteher die Nachbewilligung ab und es wurde sogar mit einer Klage gegen den Magistrat gedroht. Dann konnte Tramm jedoch auf einer späteren Sitzung erreichen, dass die Stadt die Mehrkosten bis auf einen Betrag in Höhe von 10.000 Mark übernahm. Diese sollen dann laut Tramm von „Freunden des Vereins“ aufgebracht worden sein. Insgesamt setzte sich also Tramm am Ende weitgehend durch.

Die Überlassung der der Stadt Hannover gehörenden Bahn an den Rennverein erfolgte zum 1. Januar 1906 auf Grund eines Pachtvertrages, den Tramm für die Stadt und der Vereinsvorsitzende und Oberpräsident Wentzel für den Verein am 30. April 1906 unterschrieben. Der Rennverein musste eine Pacht von jährlich 8.000 Mark in zwei Raten zum 1. Juli und 2. Januar zahlen und übernahm die Unterhaltung der Bahn. Darüber hinaus erlangte die Stadt das Recht, jeweils durch das Bürgervorsteherkollegium und den Magistrat ein Mitglied für das Direktorium des Vereins zu benennen. Das war im Übrigen eine Regelung, die sich durchaus zu Gunsten des Vereins auswirken sollte. Auf diesem Weg sollte beispielsweise später der langjährige Vereinsvorsitzende und Stadtkämmerer Weber zum Verein stoßen. De facto führte die Mitgliedschaft städtischer Funktionsträger im Direktorium häufig eher zu deren Bindung an den Verein als zu dessen Kontrolle.

Der Verein wusste die Rennbahn vielfältig zu nutzen. Das fand nicht nur im Rahmen der noch später darzustellenden größeren Veranstaltungen, sondern auch in geringerem Rahmen außerhalb des Rennsportes statt. Der Rennbahnteich wurde beispielsweise im Winter auch als Eislauffläche genutzt. Dem gegenüber gab es auch vielfältige Begehrlichkeiten von anderer Seite. So überlegte die Stadt beispielsweise schon kurz nach der Einweihung der Bahn, ob sie nicht auch für Fußballspiele genutzt werden könne. Da dann die Hindernisrennen hätten verlegt werden müssen, wurde die Möglichkeit schließlich aus Kostengründen fallen gelassen.

Hannover war bis 1880, wie oben gezeigt, zum einem bedeutsamen Rennort in Deutschland aufgestiegen, in dem ab 1881 mit dem St. Leger auch ein bedeutendes Rennen stattfand. Dass der Verein gedieh, lag zum einen daran, dass er seit den ersten Gründungsbemühungen unter dem Schutz der Provinzialverwaltung gestanden hatte, deren Leiter, die Oberpräsidenten bis zum Umzug auf die Große Bult in ununterbrochener Folge die Vereinsvorsitzenden stellten. Hinzu kam eine ebenso enge Bindung zu den hannoverschen Stadtdirektoren. Als Stadtdirektor Rasch starb, folgte sein Nachfolger Haltenhoff sowohl als Stadtdirektor als auch als stellvertretender Vereinsvorsitzender. Dass Tramm diese Tradition erfolgreich fortsetzte, wurde zuvor ja bereits gezeigt. So war gesichert, dass der „offensichtlich kapitalschwache“ Verein die notwendige Unterstützung erhielt. Auch die Rolle des Generalsekretärs Podbielski, der als Erbauer der neuen Tribüne auf der Kleinen Bult gefeiert wurde, ist wohl nicht zu unterschätzen.

Vergleicht man die Zahlen zum deutschen Rennsport von 1879 und 1909, so ist ein Aufblühen des Pferderennsports auf breiter Basis zu erkennen. Die Zahl der Rennplätze hatte sich von 50 auf 115 mehr als verdoppelt. Die Zahl der gestarteten Pferde wurde mit 2.268 zu 12.694 mehr als verfünffacht, wobei die Preise mit 7.611.279 Mark mehr als zehnmal so hoch lagen wie 30 Jahre zuvor. Demgegenüber haben sich die Zahlen für Hannover nur leicht erhöht, sodass sich quantitativ ein relativer Bedeutungsverlust abzeichnet. In großem Maße negativ wirkte sich jedoch der Verlust des St. Leger aus, das der Verein 1909 nach Berlin abgeben musste. Er reagierte darauf zum einen mit der Fusion mit dem Herren-Reiter-Verein im Jahr 1912 und heißt seit dem Hannoverscher Rennverein, wobei mit Ignaz von Gaza erstmals ein hauptamtlicher Generalsekretär bestellt wurde. Zum anderen sollte mit der Auslobung des Hannoverschen Bürgerpreises sowie des Großen Preises von Hannover das St. Leger ersetzen werden.

Die Stärke eines Vereins zeigt sich häufig, wenn sich Rahmenbedingungen verschlechtern. Das gilt auch für den Hannoverschen Rennverein. Die Entwicklung des Rennsportes im Weltkrieg war schwankend. Deutschlandweit zeichnete sich keine lineare Entwicklung ab, sondern es scheint nach einem Tiefpunkt 1915 eine Erholung eingesetzt zu haben. Das galt zwar tendenziell auch für Hannover, doch kann festgestellt werden, dass von 108 Rennplätzen des letzten Vorkriegsjahres 1913 am Tiefpunkt 1915 nur acht übrigblieben. Hannover war einer davon. Der hannoversche Rennverein gehörte also zu den wenigen Veranstaltern, die es schafften, den Rennbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Rennbeteiligung lag 1917 in Hannover sogar über den Werten von 1909.

In zwei Veröffentlichungen wurde bisher von den Kaiserbesuchen bei Pferderennen in Hannover berichtet. Wilhelm II. soll jährlich mindestens einmal die Rennen besucht haben und der Bismarckbahnhof soll sogar extra gebaut worden sein, damit der Kaiser leichter zu den Rennen hätte kommen können. Doch was hat es mit dieser Überlieferung auf sich? Schon 1991 wies Ludwig Schulte-Huxel diese Darstellung zurück und verwies darauf, dass der Kaiser sogar beim Rennen zu seinem Thronjubiläum 1913 gefehlt hätte. Dem muss man wohl zustimmen. Mittlerweile gibt es eine Studie zu den Kaiserbesuchen in Hannover und diese bestätigt das Bild, das bereits Beaulieu zeichnete, der schrieb, dass Wilhelm II. im Gegensatz zu seinem rennbegeisterten Großvater wenig Interesse am Galoppsport gehabt hätte. Der Kaiser kam keineswegs jedes Jahr nach Hannover. Die Rennbahn auf der Großen Bult besuchte er lediglich dreimal. Am 28. August 1907 und am 16. Juni 1911 weilte er dort bei Renntagen. Darüber hinaus ging er am 19. Juni 1914, einem Renntag, auf die große Landwirtschaftsausstellung auf der Bult. Der bevorzugte Anlaufpunkt des Kaisers in Hannover war demnach ein anderer. Es verging kaum ein Besuch, ohne dass Wilhelm die Königsulanen besichtigte oder sich mit deren Offizieren traf. Für die Zuschauer der Pferderennen hingegen waren die Kaiserbesuche wichtige Events, bei denen Sie einen Blick auf den Kaiser zu erhaschen suchten.

Auf der Großen Bult fanden vielfältige Großveranstaltungen statt. Eine der ersten davon war die bereits erwähnte Wanderausstellung der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft im Jahre 1914.

Das bekannteste Großereignis auf der Rennbahn war jedoch der Zeppelintag am 7. Juli 1912, dem die Hannoversche Allgemeine Zeitung sogar 2012 noch einen Bericht widmete. Ebensolche Aufmerksamkeit wurde dieser von Verleger August Madsack initiierten Veranstaltung in der zeitgenössischen Presse gewidmet. Auch wenn es sich um ein spektakuläres Ereignis handelte, das deshalb hier nicht unerwähnt bleiben konnte, mit dem Rennverein hatte es wenig zu tun. Dieser stellte lediglich dem Veranstalter, dem Hannoverschen Verein für Luftschiffahrt, das Gelände zur Verfügung.

Auch an der Hannoverschen Sport- und Festwoche im Juni 1913, die anlässlich der Rathauseinweihung und des 25-jährigen Regierungsjubiläums Wilhelm II. stattfand, war der Verein mit drei Renntagen prominent vertreten, wobei der Kaiser seine Teilnahme absagte.

Ein weiteres Beispiel für ein Großereignis stellt die Nutzung der Bahn für den Motorsport dar. Am Sonntag, dem 23. September 1928, die Pferderennsaison war seit knapp zwei Wochen beendet, veranstaltete der Hannoversche Motorrad-Sport-Club auf der Rennbahn sogenannte Grasbahnrennen. Diese Rennen waren anscheinend kein hannoversches Spezifikum, sondern fanden auch auf anderen Galopp-Rennbahnen statt. Hierzu kamen laut dem Hannoverschen Tageblatt zahlreiche Besucher, darunter auch Rennvereinspräsident von Linsingen. Da die Veranstaltung ein Erfolg war, schlossen sich in den Folgejahren weitere an. Im Sommer 1929 berichtete der Rennverein beispielweise, dass das Motorradrennen nicht auf der Flachbahn, sondern auf der Gras-Trainierbahn stattfinden sollte, um so Schäden des Geläufs zu vermeiden. Das Motorradrennen war für den 30. Juni vorgesehen. Im Folgejahr sollte am 15. Juni ein weiteres Motorradrennen stattfinden. Anscheinend wurden die Veranstaltungen immer umfangreicher. So überschreibt der Hannoversche Anzeiger am 14. Oktober 1931 seine Vorberichterstattung bezüglich eines Events, dass der Hannoversche Autosport-Klub im ADAC am folgenden Sonntag durchführte, mit der Überschrift „Eine Massenveranstaltung auf der Pferderennbahn“. Das Programm umfasste neben Motorrad- und Kleinautorennen auch Kunstflüge, Segelflugvorführungen, Fallschirmabsprünge und ein Verfolgungsrennen zwischen unterschiedlichen Verkehrsmitteln.

Im nächsten Jahr, 1932, hieß die Veranstaltung nun „Bomben über der Rennbahn“. Es fanden unter anderem Motorradrennen statt und Flieger warfen Bomben auf extra dafür gebaute Häuserattrappen ab. Dass der Rennverein die Bahn nicht nur aus Freundlichkeit anderen Vereinen gegenüber zur Verfügung stellte, sieht man daran, dass er für die letztgenannte Veranstaltung 2.000 Mark erhalten haben soll. Weitere Interessenten an der Nutzung der Rennbahn waren unter anderem der Stahlhelm, der das Gelände 1933 für Wehrsportvorführungen, einen Zapfenstreich und ein Feuerwerk nutzen wollte, wobei die Veranstaltung jedoch abgesagt wurde. Stattdessen nutzte dann zwei Wochen später der Reichsluftschutzbund die Rennbahn für eine pyrotechnische Vorführung.

Generell entwickelte sich der Verein in der Zeit vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg gut. Zu Beginn der Weimarer Republik war er einer der führenden Clubs in Deutschland. Das konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch größere Probleme gab, die der Verein wenig beeinflussen konnte. Zum einen waren in ganz Deutschland viele Rennreiter im Krieg gefallen und eine große Anzahl an Pferden umgekommen. Daneben gab es Probleme in der politischen Sphäre. Reichsweit waren die Rennvereine von Kontroversen um den Totalisator und von einer erheblich gesteigerten Besteuerung, hier ist die Kartensteuer zu nennen, betroffen.

In Hannover kamen noch Veränderungen in der Kommunalpolitik hinzu. Im November 1918 war Heinrich Tramm als Stadtdirektor zurückgetreten. Damit fehlte dem Verein ein Förderer an zentraler Stelle. Tramm kehrte zwar schon bei den Kommunalwahlen im Februar 1919 als Bürgervorsteher zurück, aber diese Position war weniger einflussreich. Der neue sozialdemokratische Oberbürgermeister Leinert stand dem Rennverein weniger nahe, befand sich aber auch nicht in Gegnerschaft. Generell herrschte aber im Arbeitermilieu eine gewisse Skepsis. Der Volkswille, die sozialdemokratische Zeitung in Hannover, hatte sich schon während der Ära Tramm kritisch zur Unterstützung des Vereins geäußert. Geradezu feindselig stand aber dem Galoppsport die extreme Linke gegenüber. Als 1922 sowohl die Finanzprobleme des Reiches als auch die des Rennvereins auf einen Höhepunkt zusteuerten und der Verein finanziell insbesondere durch die Besteuerung kurz vor dem Ende stand, sah sich der Magistrat gezwungen, eine Unterstützung von 150.000 Mark zu gewähren, wobei die Stadt vom Verein über 127.000 Mark an Steuern zu erwarten hatte. Gegen diese pragmatische Maßnahme und gegen Oberbürgermeister Leinert polemisierten die Kommunisten in Hannover. So stand in der kommunistischen Niedersächsischen Arbeiterzeitung:

„Die Finanznot ist noch nicht so groß, um nicht immer wieder Gelder zu haben,[…], wenn es gilt, den notleidenden Kapitalisten entgegenzukommen. […] Mit den Steuergroschen der Arbeiter wird der Nervenkitzel der Bourgeoisie unterstützt. Diese Gesellschaft, die erstickt im eigenen Gelde, scheut sich nicht auch noch die aus dem Schweiß der Schaffenden gepreßten Groschen für ihre Gelüste in Anspruch zu nehmen und Arbeitervertreter, Sozialdemokraten scheuen sich nicht, dem ihre Zustimmung zu geben.“

Insgesamt wurde der Verein, zu dessen Veranstaltungen auch viele Arbeiter kamen, keineswegs üppig unterstützt. Im Krisenjahr 1922 mussten sogar die Herbstrennen abgesagt werden. Die öffentliche kontroverse Diskussion um die Kartensteuer und die Absage bzw. die in der Diskussion stehende Verlegung der Rennen in eine andere Stadt dauerten an. Während auch der Volkswille die Rennen am 25. Februar 1922 sehr negativ beurteilte, trat die Hannoversche Volkszeitung einen Monat später für den Erhalt der Rennen in Hannover ein. Dass die Diskussion nicht abflaute, kann auch daran gesehen werden, dass der Generalsekretär des Rennvereins, Ignaz von Gaza, der Stadt noch 1925 eine umfangreiche und im Übrigen sehr interessante Ausarbeitung mit dem Titel „Wozu brauchen wir Pferderennen?“ zukommen ließ. Doch diese Diskussionen gab es nicht nur in Hannover. Am 6. Dezember 1929 übersandte der Städtetag eine Aufstellung über „Aufwendungen der Städte für Pferderennen – Vergnügungssteuer“, die als Ausdruck dieser Diskussionen gesehen werden kann. Von Gaza beschwörte 1930 in einem Artikel in der „Sportwelt“ ein Katastrophenszenario herauf indem er „vor dem Zusammenbruch des deutschen Rennbetriebes“ warnt, was allerdings nicht ohne Widerspruch blieb.

Wie hart die Auseinandersetzungen in der hannoverschen Kommunalpolitik geführt wurden, zeigt sich an einem Beispiel aus dem Jahr 1930. Im Rahmen der Diskussion um den Haushaltsplan 1930 schlägt der Magistrat mit dem seit 1925 regierenden Oberbürgermeister Menge an der Spitze vor, den Rennverein in Höhe von 25.000 Mark zu fördern, was das Bürgervorsteherkollegium ablehnt. Menge gewährte die Förderung dann unter Umgehung der Bürgervorsteher als außerordentliche Beihilfe zur Instandhaltung, wohingegen die Bürgervorsteher dann eine Förderung für das Jahr 1931 verhinderten.

Einen wichtigen finanziellen Erfolg hatte der Rennverein jedoch 1925 erzielen können. Im März diesen Jahres gelang es nach intensiver Vorbereitung und langer kontroverser Diskussion im Rathaus, den Pachtvertrag von 1906 zu Gunsten des Vereins zu ändern. Zum einen fiel nun die bereits seit 1909 auf 4.000 Mark ermäßigte Pacht vollständig weg. Zum anderen übernahm die Stadt die Unterhaltung der Rennbahn. Angriffe gegen den Rennverein, wie zum Beispiel der Antrag, ihm den Vertrag im Falle der weiteren Nichterfüllung von Verpflichtungen zu kündigen, wurden zurückgewiesen.

Ein weiteres Problemfeld wird erkennbar, wenn man sich die Toto-Umsätze von 1925 bis 1937 anschaut. Während zuerst ein langsames Absinken der Umsätze von 1925 bis 1929 zu erkennen ist, gab es eine Halbierung 1930 und dann ein weiteres Absinken mit einem Tiefstand 1933 auf unter ein Fünftel des Umsatzes von 1925. Der ohnehin negative Trend war durch die Weltwirtschaftskrise dramatisch verstärkt worden. Bis 1937 ist lediglich eine sehr leichte Besserung zu sehen, sodass man von 1925 bis 1933 von einem weitgehenden Wegbrechen des Toto-Umsatzes und damit auch der Toto-Einnahmen sprechen kann. Es kann folglich festgestellt werden, dass die finanzielle Lage des Vereins die gesamte Weimarer Zeit hindurch problematisch war.

Das Ende des Kaiserreichs und die neue politische Ordnung brachte nicht nur Probleme mit sich. Für den Rennverein war es auch eine Zeit der sportlichen Vielfalt. Es gründete sich bereits 1920 eine Halbblutabteilung und auf der Rennbahn fand nun auch Springsport statt. Der interessanteste Ableger sollte jedoch der Golfclub Hannover werden, der zu Beginn weit über ein Jahrzehnt eine Abteilung des Hannoverschen Rennvereins war. Die Golfabteilung des Hannoverschen Rennvereins hatte sich wahrscheinlich schon 1923 gegründet und stellt damit den Beginn des Vereinsgolfs in Hannover dar. Sie agierte schon früh relativ selbstständig, kommunizierte direkt mit der Stadt und hatte 1927 bereits 62 Mitglieder. Bis dahin hatte sie ein eigenes Clubhaus, das 1926 eingeweiht worden war, auf dem Rennbahngelände gebaut und einen 9-Loch-Platz im Innenraum der Rennbahn angelegt. Für die Jahre 1930 und 1931 sind 70 Mitglieder überliefert, wobei 39 davon männlich und 31 weiblich gewesen sein sollten. Vier männliche Mitglieder waren unter 21 Jahre alt.

Wann sich die Abteilung aus dem Gesamtverein löste und zum „Golfclub“ wurde, ist nicht auf den Tag genau festzustellen. Es muss im Laufe des Jahres 1936 gewesen sein. Anscheinend wurden die Briefköpfe „Golf-Abteilung des Hannoverschen Rennvereins“ wie zum Beispiel am 5. April 1937 allerdings weitergenutzt, was für eine schleichende Verselbstständigung ohne eine Auseinandersetzung, die einen Bruch bedeutet hätte, spricht. Ab 23. Juli 1937 wurde dann der neue Briefkopf „Golf Klub Hannover e.V.“ genutzt. Der Golf-Club hatte aber wohl bereits am 2. Juni 1936 bestanden. Auf einem Antrag, der an diesem Tag bei der Stadt einging, wurde ein Stempel mit der Aufschrift „Golf-Club Hannover Mitglied des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen“ benutzt. „Vereinsführer“ war Werner Starke aus Hannover-Kleefeld. Der Verein hatte nun 64 Mitglieder, davon sieben unter 21 Jahren.

Aber auch im Rennsport versuchte der Rennverein weiterhin Akzente zu setzen und konnte mit der Wiedereinführung des Armee-Jagdrennens im Jahr 1927 das vornehmste Rennen für Militärs nach Hannover holten. Hier positionierte sich der Verein als hervorragende Adresse des Amateurrennsports, was ab 1933 mit dem Internationalen Offiziersjagdrennen weiter verstärkt wurde.

Während die Jahre der Weimarer Republik für den Verein in finanzieller Hinsicht schwierige Jahre waren, führte die nationalsozialistische Machtübernahme im Bereich der Finanzen zu einer Entspannung des zuvor komplizierten Verhältnisses zur Stadt.

Ab 1933 konnte Oberbürgermeister Menge den Rennverein wieder ohne Widerstand aus dem Bürgervorsteherkollegium unterstützen und tat dies auch. Die Rennbahn in Hannover hatte sich, zumindest was den Trainingsbetrieb anging, eine führende Stellung erarbeitet. In Hannover wurden seinerzeit 95 Pferde trainiert. Nur in Berlin waren es mehr. Im Sommer 1934 folgte schließlich auf den verstorbenen von Gaza der Oberstleutnant a. D. v. Hansen als Generalsekretär des Rennvereins. Der Rennbetrieb wurde in Hannover durch die NS-Zeit hindurch auch im Krieg aufrechterhalten. Selbst als 1942, also mitten im Krieg, reichsweit der Rennbetrieb durch ein Beförderungsverbot für Pferde extrem eingeschränkt war, konnte es in Hannover wegen der starken Position als Trainingsstandort weitergehen. In der städtischen Überlieferung ist dazu festgehalten:

 „Dadurch ist die Mehrzahl der Rennplätze in Deutschland stillgelegt. Einige wenige Plätze, darunter Hannover, bleiben als sogen. Trainingszentralen in Betrieb, können aber Rennen nur noch für die am Platze befindlichen Pferde ausschreiben.”

Wahrscheinlich wurden sogar schon wieder 1944, nachdem die Rennbahn vor allem im Oktober 1943 bei Bombenangriffen zerstört bzw. stark beschädigt worden war, Rennen abgehalten.

Wenn man einzelne Aspekte der Vereinsgeschichte zwischen 1933 und 1945 betrachtet, so ist es unumgänglich, auf das Verhalten des Vereins gegenüber seinen jüdischen Mitgliedern einzugehen und sich zu fragen, inwieweit der Verein das NS-Regime unterstützt hat.

Es gibt im Moment keine Hinweise, dass der Rennverein von sich aus gegen seine jüdischen Mitglieder agierte. Trotzdem wurde deren Mitgliedschaft im Verein problematisch, als der Magistrat der Stadt Hannover am 15. August 1933 beschloss, Zuschüsse nur noch an Vereine zu geben, die keine jüdischen oder „jüdisch-versippten“ Mitglieder hatten. Entsprechendes sollte auch für die Verlängerung von Pachtverträgen gelten. Auch wenn Reichssportführer von Tschammer und Osten die Rücknahme des Beschlusses forderte und der Reichsminister des Inneren am 17. Mai 1934 feststellte, dass der Beschluss aufzuheben sei, hatte er seine Wirkung schon entfaltet. Als der Regierungspräsident der Stadt am 28. Mai 1934 die Entscheidung des Ministers bekannt gab, woraufhin der Oberbürgermeister den Beschluss am 6. Juni 1934 förmlich aufhob, war ein dreiviertel Jahr vergangen, in dem auf Grund dessen Fakten geschaffen worden waren. Die Stadtverwaltung hatte die Vereine aufgefordert, ihre Satzungen so zu gestalten, dass jüdische und „jüdisch-versippte“ Mitglieder ausgeschlossen wurden. Die Vereine wurden angeschrieben und erhielten Formulare, mit denen sie Vollzug melden konnten. Wahrscheinlich gehörte der Rennverein nicht zu den wenigen Vereinen, die sich der antisemitischen Maßnahme verweigerten. Er könnte aber zu den Vereinen gehört haben, die nicht antworteten. Dass der Rennverein seine jüdischen Mitglieder ausschloss, ist jedoch zweifach überliefert. Zum einen gibt es eine Satzung aus dem Jahr 1937, in der im Paragraphen 2 festgelegt worden war: „Ordentliche Mitglieder des Vereins können nur Reichsbürger im Sinne des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 werden.“, was Juden ausschloss. Zum anderen ist zwar für den Gesamtverein nicht bekannt, wie viele Mitglieder davon betroffen waren, es gibt jedoch Zahlen für die Golfabteilung. Diese schrieb nämlich im Sommer 1935 an den Oberbürgermeister, dass sie, ohne es selbst verschuldet zu haben, finanzielle Probleme bekommen hätte, da sie 1934 26 Mitglieder verloren hätte. Davon sollten 16 „Nichtarier“ gewesen sein, die der Verein auf Anweisung des städtischen Amtes für Leibesübungen hätte ausschließen müssen. Bei einer Mitgliederzahl für 1936 von 64 Personen stellt dies einen erheblichen Anteil dar, wobei davon ausgegangen werden kann, dass ein solcher für den Gesamtverein nicht repräsentativ war.

Wenn es um die Beteiligung des Rennvereins am NS-Regime geht, dann müssen die Volksrenntage, die ab August 1935 jährlich stattfanden, als Propagandaveranstaltung genannt werden, die der Hannoversche Rennverein zusammen mit dem Gausportamt der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF) veranstaltete. Das Protektorat lag beim Oberpräsidenten und SA-Stabschef Lutze. Die Stadt Hannover unterstützte dies 1935 durch 5.000 RM, die an den Rennverein gingen, und 1.500 RM an die Organisation KdF für Propagandaausgaben. Für die Beurteilung ist es dabei relevant, darauf hinzuweisen, dass es in sehr großem Umfang Vorführungen der SA, der SS, des Reichsarbeitsdienstes, der Kavallerieschule Hannover und von Sportgruppen der KdF gab. Laut einem Schreiben des von NSDAP-Seite federführenden Kaufmanns Karl Goedecke ging die Initiative für den Volksrenntag von Lutze aus:

„Angesichts der ungünstigen Entwicklung des hannoverschen Pferderennsports hat sich der Herr Oberpräsident Pg. Lutze im Hinblick auf die damit verknüpften wirtschaftlichen Probleme für ein aktives Eingreifen entschlossen und dürfte der große Einfluss des Herrn Stabschefs von entscheidender Wirkung sein.“

Diese Ausführungen zeigen, wie schwer die Beurteilung der Zusammenarbeit von NS-Regime und Rennverein im Detail ist. Einerseits wurde das Projekt mit der Unterstützung des Vereins begründet. Andererseits ging die Initiative aber eindeutig vom Regime aus. Dass der erste Volksrenntag ein Erfolg war, kann man daraus schließen, dass er kein einmaliger Versuch blieb, sondern weitere folgten.

Ein Verein, insbesondere wenn er Großveranstaltung organisierte, agierte zu keiner Zeit politisch im luftleeren Raum. Man muss dem Rennverein daher zugestehen, dass er sich kaum in größerer Distanz zur Politik halten konnte, selbst wenn er gewollt hätte. Beispielhaft zeigt sich das am internationalen Offiziers-Jagdrennen „Preis der Nationen“, das am 9. Oktober 1938 auf der Rennbahn in Hannover stattgefunden hat. Es gab für das Rennen auch Anmeldungen aus dem Ausland. So sollen sich ein Offizier aus Frankreich und fünf aus der Schweiz angemeldet haben. Dadurch wurde die Veranstaltung, wie andere Sportveranstaltungen auch, Teil des NS-Außenpolitik. Es ging nun nämlich auch darum, das nationalsozialistische Deutschland als guten Gastgeber darzustellen.

Wie man zuvor gesehen hat, profitierte der Verein zu Beginn des NS-Regimes von den neuen Entscheidungsstrukturen im Rathaus. Arthur Menge konnte nun ohne die Zustimmung des Bürgervorsteherkollegiums den Verein unterstützen. Hinzu kam, dass er sich, wie am Beispiel der Golfabteilung gezeigt wurde, von seinen jüdischen oder als Juden geltenden Mitgliedern trennte und dies schließlich in der Satzung verankerte. Beide Sachverhalte sind der Abhängigkeit des Vereins von der Stadt geschuldet und zeigen den Verein nicht unbedingt als Akteur. Auch der Volksrenntag mit seinen SA- und SS-Präsentationen war keine Idee des Vereins. Man kann also bei aller Vorsicht, die aufgrund der Quellenlage geboten ist, davon ausgehen, dass der Verein als Gesamtgebilde sich weder positiv noch negativ hervorgetan hat, aber durch ein „Mitmachen“ Schuld auf sich lud. Interessanterweise zeigt sich dies auch in den beiden Vorsitzenden der NS-Zeit.

In die Amtszeit Burghard von Cramm-Oelbers fiel der Ausschluss der jüdischen Mitglieder, für den er somit, auch wenn er ihn nicht initiiert hat, mitverantwortlich war. Andererseits war er der Vater des viel bekannteren Gottfried von Cramm, des „Tennisbarons“, dessen Frau von den Nationalsozialisten als Jüdin angesehen wurde. Da nichts dafürspricht, dass Burghard von Cramm aus politischen Gründen den Vereinsvorsitz niederlegte oder zum Rücktritt gezwungen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass der Verein Mitte der dreißiger Jahre keine stramm nationalsozialistische Organisation war. Dementsprechend folgte im Vorsitz auch kein ausgewiesener Nationalsozialist. Stadtkämmerer Wilhelm Weber war bis 1933 Mitglied der liberalen Deutschen Volkspartei (DVP) gewesen und trat der NSDAP nie bei. Trotzdem spielte er eine wichtige Rolle bei den Verbrechen, die die Stadtverwaltung an den hannoverschen Juden beging. Er war ein sogenannter Schreibtischtäter. So war er von städtischer Seite maßgeblich an Arisierungsmaßnahmen sowie an der „Aktion Lauterbacher“ beteiligt und sorgte dafür, dass Juden von städtischen Museen und Theatern ausgeschlossen wurden. Andererseits ist von ihm bisher keine Maßnahme bekannt, die die Vorgaben verschärfte. Rüdiger Fleiter, der wohl beste Kenner der Geschichte der hannoverschen Stadtverwaltung in der NS-Zeit, schreibt, Weber habe trotz Distanz bis zum Schluss loyal gedient. In diesem Sinne kann er als exemplarisch für den gesamten Verein angesehen werden.

Der Krieg war noch keinen Monat beendet, als Ende Mai 1945 ein britischer Offizier, der im Zivilleben Trainer gewesen sein soll, die Rennbahn und den Vereinsvorsitzenden Weber besuchte. Er teilte mit, dass Montgomery, der britische Oberbefehlshaber in Deutschland, die Rennbahn so schnell wie möglich in Betrieb nehmen wollte. Es sollte eine Trainingszentrale errichtet und Pferderennen abgehalten werden. Die Militärregierung sorgte danach schnell für Fakten. Da sie die Rennbahn bis zum 1. Juli 1945 fertiggestellt haben wollte, musste die Stadt einen Architekten und Bauaufseher zur Verfügung stellen. Die Briten sorgten für Material und Arbeitskräfte. Hierzu wurden bereits am Nachmittag des 4. Juni 1945 deutsche kriegsgefangene Handwerker aus dem Lager in Bemerode auf die Bahn geschafft und begannen am nächsten Morgen unter Aufsicht der vom Stadtbauamt rekrutierten Meister mit der Arbeit. Es handelte sich um 15 Maler, 15 Dachdecker, fünf Klempner, 40 Maurer, 20 Zimmerleute und zehn Tischler. Damit war die Bahn schnell wiederhergestellt, wobei sich die Rennen dann doch wegen der Versorgungslage verzögerten und erst 1946 begannen. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass es vorher eventuell rein britische Rennen gegeben hat. Wahrscheinlich ist jedoch, dass britische Offiziere ihre Pferde auf der Bahn trainierten.

Ein regulärer Rennbetrieb startete 1946 mit drei Rennen, zu denen insgesamt etwas mehr als 10.000 Besucher kamen. Die Jahre der Besatzungszeit waren dadurch geprägt, dass es sowohl deutsche als auch britische Renntage gab.

Die Militärregierung hatte erst einmal alle Vereine aufgelöst, sodass sich der Rennverein neu gründen musste. Den ersten Versuch hierzu machte Wilhelm Weber noch 1946. Er scheiterte aber an der Genehmigung durch die Militärregierung. Schließlich hatte Weber dann mit einem Antrag vom 25. Mai 1948 Erfolg. Der Verein wurde mit der Nummer 208 registriert. Präsident wurde Wilhelm Weber, 1. Vizepräsident der Rechtsanwalt Wilhelm Wolter und 2. Vizepräsident der Oberstleutnant a.D. Immanuel Hansen.

Als der Golf Club Hannover Anfang des Jahres 1949 wieder auf die Rennbahn zurückkommen wollte, lehnte Wilhelm Weber dies ab, da große Teile der Bahn, während andererseits britische und deutsche Rennen stattfanden, von Gärten für die Versorgung der Bevölkerung belegt waren. Der Golf-Club musste sich also eine andere Bleibe suchen und übersiedelte an seinen heutigen Standort in Garbsen. Mitte der fünfziger Jahre wurde das ehemalige Clubhaus des Golf-Clubs, das bis dahin als Wohngebäude genutzt worden war, abgerissen. Somit war auch die räumliche Trennung der beiden Vereine Golf-Club und Rennverein endgültig vollzogen. Dabei verwundert das Vorgehen des Rennvereins nicht. Die Anlage auf der Großen Bult war für ein Nebeneinander von Golf und Rennsport zu klein. Bereits im Sommer 1940 hatte es Probleme gegeben und das Golf-Club Mitglied General Muff hatte mit dem Rennvereinsvorsitzenden Weber korrespondiert. Trotz des sehr freundlichen Umgangs miteinander blieben Probleme bestehen.

Der Rennverein entwickelte sich in der Nachkriegszeit langsam, aber stetig positiv und hatte 1958 eine Größe von 175 Mitgliedern. Im Jahr 1957 konnte er eine Summe von 308.935 DM für Rennpreise und Züchterprämien zahlen. Bezüglich der Dynamik der Preisentwicklung lag Hannover bundesweit sogar an zweiter Stelle.

Sehr einschneidend war für den Rennsport in der gesamten Bundesrepublik die Einführung des Fußball-Totos und des Zahlenlottos. So wurde auf der Sitzung des Direktoriums für Vollblutzucht und beim Rennen am 11. Oktober 1956 davon berichtet, dass der Reinertrag des Pferdetotos, der im Jahr 1954 noch 425.000 DM betragen habe im Folgejahr auf 304.000 DM und bis zum 22. September 1956, als ein Großteil der Rennen absolviert war, auf nur noch 105.000 DM gesunken sei. Zum Vergleich floss laut Direktorium allein dem Land Nordrhein-Westfalen aus dem im Oktober 1955 gestarteten Zahlenlotto im ersten Jahr ein Reingewinn von 40 Millionen DM zu. Der Hannoversche Rennverein resümiert daher in seinem Jahresbericht für 1956, dass sich die Aufhebung des Wettmonopols des Rennsports auf Grund des Rennwett- und Lotteriegesetzes vom 8. April 1922, das durch die Einführung von Fußballtoto und Zahlenlotto beseitigt worden sei, “katastrophal” ausgewirkt habe.

Neben den die gesamte Geschichte des Rennvereins begleitenden Finanzproblemen, zeichnete sich für den Verein Ende der fünfziger Jahre eine weitere Gefahr ab. In der hannoverschen Kommunalpolitik wurde die Verlegung der Rennbahn und die Bebauung der Großen Bult zu Wohnzwecken diskutiert. Dazu kam es jedoch nicht.

1970 kam dann doch das Ende für Rennbahn. Eine Tochterfirma des amerikanischen Büromaschinen- und Computerherstellers IBM zeigte Interesse an dem Gelände. Daher kündigte die Stadt Hannover den Pachtvertrag mit dem Rennverein im Dezember 1969 vorsorglich. Am 6. Februar 1970 kaufte IBM daraufhin das Gelände für etwa 20 Millionen DM. In der hannoverschen Öffentlichkeit gab es umfangreiche Diskussionen um den Verkauf der Rennbahn und die Zukunft der Pferderennen. In einer Darstellung wurde dies mit der Überschrift „Kündigung! Ein Proteststurm fegte durch die Stadt“ beschrieben. Doch bei genauem Hinsehen wird klar, dass es keinen Widerstand gab, der den Verkauf hätte aufhalten können. IBM hatte sich in Hannover auf diesen Standort festgelegt und wollte 5.000 Arbeitsplätze schaffen. Welcher Kommunalpolitiker in Hannover, egal ob seine Fraktion im Rat in der Mehr- oder in der Minderheit war, hätte das wegen wenigen Anwohnern und Rennsportbegeisterten verhindern wollen. Daher endeten am 15. August 1970 die Rennen auf der Großen Bult. Doch die öffentliche Diskussion schaffte Aufmerksamkeit und so wurde die „Alte Bult“ zwar abgerissen, was jedoch nicht mit einem Schlussstrich unter die Geschichte des Hannoverschen Rennvereins gleichzusetzen war. Der Rennverein hatte noch vor dem Jahreswechsel 1969 der Kündigung widersprochen und so seine Bereitschaft gezeigt, um den Rennsport in Hannover zu kämpfen. Die Stadt Hannover und der Rennverein scheinen aber sehr schnell zum Miteinander zurück gefunden zu haben. Bereits am 29. Januar 1970 reisten mehrere Vertreter der Stadt und ein Vertreter des Rennvereins gemeinsam nach Köln um sich mit dem Generalsekretär des Verbandes für Vollblutzucht und Rennen, Herrn Schmidt-Pauli zu treffen und ein Flächen- und Raumprogramm für eine neue Rennbahn zu entwickeln. Das Programm wurde in den nächsten Monaten innerhalb der Verwaltung abgestimmt und bereits am 17. Juli und 11. August 1970 wurde ein Vertrag unterzeichnet, in dem sich die Stadt gegenüber dem Rennverein dazu verpflichtete, mindestens gleichwertigen Ersatz für die Alte Bult zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen.

Die Vorgänge des Jahres 1970 waren der Startschuss für einen Neuanfang. Am 31. Mai 1973 strömten etwa 20.000 Menschen nach Langenhagen auf die Neue Bult. Die Stadt überließ dem Rennverein die Neue Bult gegen einen Pachtzins von 220.000 DM jährlich, wobei dem Rennverein gleichzeitig eine Beihilfe in selber Höhe gewährt wurde, damit der Verein dem Vertrag von 1970 entsprechend gleich gute Konditionen bekam. Diese komplizierte Regelung bestand bis 1983 als Pachtzins und Beihilfe gestrichen wurden.

Dass IBM schließlich vom Kaufvertrag zurücktrat und das Gelände auf der Alten Bult heute noch weitgehend unbebaut daliegt, mag zum Schmunzeln anregen. Für das Öko-System der Stadt Hannover war es ein Gewinn. Große Teile des Geländes wurden 1998 als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.

Bis der Rennverein in ruhigeres Fahrwasser gelangen konnte, waren aber noch zwei existentielle Krisen zu bewältigen. Zum einen wurde dem Verein zum 1. Januar 1979 die Gemeinnützigkeit aberkannt und es dauerte über zweieinhalb Jahre, bis das Niedersächsische Finanzgericht der Klage des Vereins gegen das Finanzamt Hannover-Land stattgab. Zum anderen geriet der Verein zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder in Finanznot und Insolvenz.